Kundenbereich

Effizienzsteigerung in der ambulanten Pflege und Betreuung

Teil 2: Effizienz der Tourenplanung mit Delegationsschema

Von Predrag Antunovic

In unserer neuen kleinen Reihe stellen wir Ihnen in kurzer Form intelligente, praktikable Konzepte zur Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit in ambulanten Pflegediensten vor.

Im ambulanten Bereich ist es die große Kunst der Pflegedienstleitung und ihrer Stellvertretung,  die Tourenplanung so zu gestalten, dass alle Beteiligten zufrieden sind.

 

  • Auf der einer Seite sind das die Mitarbeiter:innen, die unterschiedliche Kompetenzen und Qualifikationen haben und dementsprechend, unter Berücksichtigung der persönlichen Wünsche und Bedürfnisse,  eingesetzt werden müssen.
  • Auf der anderen Seite sind das die Klienten, die genauso unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse haben und die zum Teil darauf bestehen, zu einer bestimmten Zeit versorgt zu werden.
  • Und darüber hinaus der Arbeitgeber,  der natürlich darauf achtet, dass sich die Tour wirtschaftlich rechnet.

 

Bei den vielen voneinander abhängigen Variablen ist es unheimlich schwer – aber nicht unmöglich – alles perfekt zu machen.

Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen

Ihre Mitarbeiter:innen haben Wünsche und Bedürfnisse. Sie kennen bestimmt die 8 Grundsätze der Qualitätsmanagement-Norm DIN-EN-ISO 9001:

 

 

  1. Kundenorientierung
  2. Führung
  3. Einbeziehung der Mitarbeiter:innen
  4. Sachbezogener Ansatz zur Entscheidungsfindung
  5. Systemorientierter Ansatz
  6. Prozessorientiertes Management
  7. Kontinuierliche Verbesserungsprozesse
  8. Gute Lieferantenbeziehungen

Sie sollten den Grundsatz ,,Einbeziehung der Mitarbeiter:innen“ an den allerersten Platz stellen und die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter:innen kennen.

 

Denn alle anderen Punkte sind davon abhängig, dass Sie vor allem Ihre examinierten Mitarbeitenden langfristig an Ihr Unternehmen binden und diese nachhaltig und konstruktiv zusammenarbeiten. Denn neue Mitarbeitende sind schwer zu finden!

 

Die PDL und ihre Stellvertretung haben dies durch geschickte Dienstplanung und Tourenplanung  selbst in der Hand.

Ich empfehle Ihnen meinen eigenen Führungsstil nach ,,FACE“ zu vermitteln und zu leben:

 

F = Fair

A = Angstfrei

C = Charaktervoll

E = Empathisch und ehrlich

FAIR

Lassen Sie NIE zu, dass ein/e Mitarbeiter:in unfair behandelt wird. Eine gesunde Härte in der Sache ist zulässig, aber keine unfaire Handlung, egal wie banal und unwichtig die Sache ist.

 

ANGSTFREI

Die Mitarbeiter:innen müssen angstfrei arbeiten können! Sorgen Sie dafür, dass sie sich bei Ihnen sicher füllen.

 

Die Mitarbeiter:innen dürfen Fehler eingestehen und melden sich bei Ihnen, wenn ein Fehler gemacht wurde  –  ohne Angst vor Konsequenzen.

 

Fragen Sie nicht: „Wer ist schuld“, sondern: „Wie bekommen wir das Problem gelöst?”

CHARAKTERVOLL

Sie führen Ihre Mitarbeiter:innen nur dann charaktervoll und erfolgreich, wenn diese Respekt vor Ihnen haben. Verwechseln Sie aber nicht Respekt aus Angst und Respekt aus Wertschätzung gegenüber Ihrer Person und Ihrer sozialen und fachlichen Kompetenz.

 

Ihre Mitarbeiter:innen  wissen auch, was sie zu tun haben! Sie wissen auch, wie sie arbeiten sollen. Aber wissen Ihre Mitarbeiter:innen  auch, warum sie das tun, was sie tun?

Mit “warum“ ist nicht der Profit/das Geld gemeint! Das ist immer ein Ergebnis!

 

Mit “warum” meine ich: „Was ist Ihr Geschäftszweck? Was ist Ihr Anliegen? Was Sind ihre Glaubensgrundsätze? Warum existiert Ihr Betrieb? Warum stehen Sie morgens auf? Und warum sollte sich jemand mit ganzem Herzen engagieren?

EMPATHISCH + EHRLICH

Seien Sie immer ehrlich! Ihre Mitarbeiter:innen merken sich das. Diese Aufgabe können Sie leicht bewältigen, wenn Sie alle Mitarbeiter:innen gleichbehandeln und nie zulassen, dass Sie in Erklärungsnot kommen. Sie müssen sich  als Leitung nicht für Ihre Entscheidungen rechtfertigten. Stehen Sie mit voller Überzeugung zu Ihren Entscheidungen.

 

Nur dann werden Ihre Mitarbeiter:innen Sie als Leitung respektieren.

Wünsche und Bedürfnisse der Klienten

Die Zeiten haben sich geändert! Klienten haben heute unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse.

 

Nach dem im Jahr 1995 die Pflegeversicherung eingeführt wurde, gab es noch den gewohnten Alltag in der ambulanten Pflege. Die Schwester hatte in einem Frühdienst ca. 10 bis 14 Klienten zu versorgen. Es gab keinen Zeitdruck, die Klienten so schnell wie möglich zu versorgen. Für eine individuelle Versorgung, unter Berücksichtigung der Bezugspflege, war genug Zeit.

Diese Praxis hat sich bis Ende der neunziger Jahre gehalten. Die Pflege wurde nach dem Leistungskatalog des SGB XI gestaltet.

 

Eine Beispielleistung aus dem Leistungskatalog, der sich bis heute ein wenig verändert hat, war die Ganzwaschung (in NRW sog. LK 01). Für diese Leistung hat sich die Schwester / der Pfleger ca. 45 Minuten beim Klienten aufgehalten. Die Klienten wurden in der Zeit gepflegt, aber auch sozial betreut und unterhalten. Kleine haushaltsnahe Dienstleistungen wurden in der Zeit ,,mal eben“ nebenbei geleistet und alle waren zufrieden.

https://www.homecare.co.uk/homecare/agency.cfm/id/65432198050

Heute ist für diese Leistung eine kalkulatorische Größe von 19 Minuten vorgegeben.

Mit den Jahren hat es sich eingeschlichen, dass die Mitarbeiter:innen immer schneller gearbeitet haben und immer weniger Betreuung vor Ort leisten konnten. Die Zeit war einfach nicht da, schließlich will man ja wirtschaftlich erfolgreich arbeiten.

 

Die Politik hat das nach knapp 20 Jahren erkannt und hat versucht 2013 mit dem Grundsatz ,,Ambulant vor Stationär“ mit dem PSG II (Zweites Pflegestärkungsgesetz) zu kompensieren.

Aber erst nachdem im Jahre 2017 der Leistungskatalog SGB XI mit den Betreuungsleistungen der LK 31 und LK 32 in NRW oder LK 12 in Brandenburg ergänzt wurde, gab es einen Durchbruch. Die Politik versucht dadurch, die Pflege in Deutschland zu stärken.

Was bedeutet das?

 

Es wird tatsächlich versucht,  die Pflege- und Betreuungszeit beim Klienten von 45 Minuten (wie 1995)  wieder zu erreichen. Dies ist durch diese Zusatzmodule wieder möglich, aber nur, wenn die PDL und ihre Stellvertretung die Betreuungsmodule fachgerecht verplanen und vor allem dokumentieren.

 

Der MDK prüft die Umsetzung und die Abrechnung ganz genau. WICHTIG: Bringen Sie Ihren Mitarbeiter:innen die Abgrenzung von der Pflege und Betreuung bei.

Leistungen SGB XI LK 31 und LK 32

31 Pflegerische Betreuung

Der LK ist abrechnungsfähig, wenn mindestens eine der Leistungen Begleitung, Unterstützung, Beaufsichtigung oder Hilfen erbracht wurde (ist in einem Einsatz nicht abrechnungsfähig mit LK 15).

 

Begleitung, z.B.:

  1. Ermöglichung des Besuchs von Freunden und Verwandten, Teilnahme an sonstigen Aktivitäten mit anderen Menschen
  2. Spaziergänge
  3. Begleitung zum Friedhof
  4. Begleitung zu kulturellen, religiösen und Sportveranstaltungen (z. B. Konzert, Theater, Fußballspiel)
  5. Behördengänge

 

Unterstützung, z.B.:

  1. bei Spiel und Hobby
  2. bei der Versorgung von Haustieren
  3. bei emotionalen Problemlagen
  4. bei der Kontaktpflege zu Personen
  5. bei Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen

 

Beaufsichtigung, z.B.:

  1. Anwesenheit, u. a. um Sicherheit zu vermitteln
  2. Hilfen zur Verhinderung bzw. Reduzierung von Gefährdungen
  3. Orientierungshilfen

 

Hilfen, z.B.:

  1. Hilfen beim Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen
  2. Hilfen beim Beteiligen an einem Gespräch
  3. Hilfe bei der Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen
  4. Hilfen zur Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur
  5. Kognitiv fördernde Maßnahmen
  6. Hilfen zur Durchführung bedürfnisgerechter Beschäftigungen
  7. Hilfen zur Einhaltung eines bedürfnisgerechten Tag-Nacht-Rhythmus

32 Hilfe bei der Sicherstellung der selbstverantworteten Haushaltsführung

Dabei muss es sich um Aktivitäten handeln, die aus pflegefachlicher Sicht besonders wichtig sind, um im eigenen Haushalt verbleiben zu können (ist in einem Einsatz nicht abrechnungsfähig mit LK 15).

 

  1. Unterstützung bei der Organisation / Organisation von Dienstleistungen, z. B. Haushaltshilfen,
    Notrufsystemen, Gärtnerdiensten, Fahrdiensten, Putzhilfen, Hol- und Bringdiensten (auch bspw.
    Einkaufszettel schreiben) etc.
  2. Unterstützungsleistungen bei der Regelung von finanziellen und administrativen Angelegenheiten, z. B. Antragstellungen, Bankgeschäften etc.
  3. Unterstützung bei der Organisation / Organisation von Terminen, z. B. Arztterminen, Besuchen bei Therapeuten etc.

Delegationsschema

Planen Sie Touren mit Hauswirtschaft/Betreuung getrennt von den Touren der Pflege.

 

Es ist wichtig, die Mitarbeiter:innen  nach ihren Qualifikationen einzusetzen. Achten Sie darauf, dass die Mitarbeiter:innen Leistungen erbringen, für die sie qualifiziert sind. Wenn ein Mitarbeiter die Qualifikation für die Leistung nicht hat, sollten Sie dafür sorgen, dass dieser Mitarbeiter zumindest die Weiterbildung als „sonstig geeignete Kraft“ mit gesetzlich vorgeschriebenen 182 Stunden absolviert. So wird die Tourenplanung einfacher und die Effizienz der Touren höher, da so genannte “Blaue Patienten“ möglich sind.

Plantafel mit Steckkarten in verschiedenen Farben

  • Weiße Karten sind ausschließlich SGB-XI-Klienten
  • Gelbe Karten  sind ausschließlich SGB-V-Klienten
  • Blaue Karten sind Klienten, bei denen SGB-XI- und SGB-V-Leistungen vereinbart wurden

 

Die “Blauen Klienten” sind betriebswirtschaftlich viel effizienter, da die Begleitleistungen wie Begrüßung, Dokumentation, Anfahrt und Verabschiedung einmal geleistet werden, aber durch zwei Kostenträger relativiert und somit refinanzierbar sind.

Daher stammt der Ausdruck ,,Blaue Klienten“.  Heute nennen wir solche Klienten in Fachkreisen „Gemischte Hausbesuche“.

 

Je mehr gemischte Hausbesuche Sie haben, desto erfolgreicher sind Sie!  Das Delegationsschema wird aus dem Grunde immer wichtiger.

 

Durch Covid-19-Infektion hat der Gesetzgeber bestimmte Vorgaben zur Erbringung von Leistungen der häusliche Behandlungspflege gelockert, so dass die Pflegeassistenten  LG 1 und LG 2 bis zum 30.09.2021 selbstständig durchführen dürfen. Diese Regelung war sicherlich sehr hilfreich, als einige Mitarbeiter durch Quarantäne oder Covid 19 Infektion ausgefallen sind.

Sie sollten sich darauf einstellen, dass immer mehr Pflegeassistenten künftig LG 1 und LG 2 leisten. Das wird die Fachkraftquote zwangsläufig senken, die Versorgung von Klienten aber weiterhin überhaupt erst möglich machen.  Wie dieses möglich ist, wird sich zeigen …

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!